Internationales Metropolenprojekt
Das Stadtklima großer Städte weist gegenüber dem Umland starke Unterschiede hinsichtlich klimatischer Kennwerte wie Temperatur und Niederschlag, sowie der luftchemischen Zusammensetzung beispielsweise in Bezug auf die CO₂-Konzentration auf. Häufig folgt der Unterschied einem Gradienten, der sich allmählich ausgehend vom Stadtzentrum bis zum Stadtrand ändert.
Kann das Stadtklima helfen künftig zu erwartende Effekte des Klimawandels auf das Baumwachstum vorherzusagen?
Dieser Fragestellung widmet sich das Metropolenprojekt. In großen Metropolen in verschiedenen Klimaregionen der Erde werden Bäume entlang von Transekten, die jeweils vom Stadtzentrum zur Peripherie verlaufen, in ihrem Wachstum analysiert. Es wurden Metropolen gewählt, weil dort der Stadtklimaeffekt zwischen dem dicht bebauten Stadtkern und den weniger dicht bebauten Peripheriebereichen am deutlichsten ausgeprägt ist. Somit ist ein Vergleich der klimatisch-verschiedenen Untersuchungsstandorte im Hinblick auf das Wachstum der Bäume möglich. Der Zusammenhang zwischen den jeweiligen Umweltbedingungen und dem Wachstum der Bäume soll helfen, mögliche Wachstumsreaktionen bei Waldbäumen unter Klimawandel aufzudecken.
Bei der Untersuchung kommen Jahrringanalysen, Strukturanalysen, moderne Laserscantechnik, sowie Isotopenanalysen zum Einsatz. Die Ergebnisse des Projekts sind von hoher wissenschaftlicher und praxisrelevanter Bedeutung: denn sie leisten einen wichtigen Beitrag zur Klimafolgenforschung und zur Waldwachstumsforschung und sie können dabei helfen, geeignete Anpassungsstrategien für Wälder an sich ändernde klimatische Bedingungen zu entwickeln.
Das Projekt ist in seinem Umfang hinsichtlich der beprobten Bäume und der Vielfalt der Projektstandorte einzigartig. Die weltweite Verteilung der Standorte ermöglicht nicht nur Aussagen über das urbane Baumwachstum in verschiedenen Klimabereichen der Erde, sondern auch eine Analyse unterschiedlicher Wuchsbedingungen und –einflussfaktoren auf das Baumwachstum.
Bearbeitet wird das Projekt am Lehrstuhl für Waldwachstumskunde der Technischen Universität München.
Projektstandorte
Die ausgewählten Metropolen befinden sich in vier verschiedenen Klimazonen. Aufgrund der unterschiedlichen Ausprägungen der Jahreszeiten innerhalb der Klimazonen, sind die klimatischen Bedingungen zwischen den einzelnen Metropolen stark differenziert. Es wird davon ausgegangen, dass die unterschiedliche Klimakonstellation in Verbindung mit dem Stadtklimaeffekt zu unterschiedlichen Auswirkungen auf das Baumwachstum führt. So könnte sich im kaltgemäßigten Klima (boreal) der Stadtklimaeffekt positiv auswirken. Im mediterranen Klima, wo im Sommer ohnehin trockene Bedingungen herrschen, könnte das Stadtklima die trockene Situation weiter verschärften und sich negativ auf das Baumwachstum auswirken.
Die boreale Zone
In der borealen Zone, welche durch ausreichend Niederschlag und mäßige Temperaturen geprägt ist, wurden die Städte Sapporo und Prince George ausgewählt:
Sapporo wurde im Jahr 1869 gegründet und ist der Verwaltungssitz der Präfektur Hokkaidos, der nördlichsten der vier japanischen Hauptinseln. Sapporo erstreckt sich über eine Fläche von ca. 1120 km² und hat in etwa 1,9 Mio. Einwohner.
Dies entspricht einer Bevölkerungsdichte von 1705 Einwohnern pro km². Im Ballungsgebiet Sapporos leben in etwa 3,4 Mio. Menschen. Mit einer großen Anzahl an Hochhäusern ist Sapporo eine modern geprägte Stadt. Die Straßen wurden nach dem Muster vieler amerikanischer Städte schachbrettartig angelegt. Sapporo selbst liegt mit ca. 20 m über NN in einer Ebene, die im Osten, Süden und Westen von Bergen umgeben ist. Im Norden grenzt das japanische Meer an. Mit einer Jahresmitteltemperatur von 8,2 °C und einem Niederschlag von ca. 1129 mm pro Jahr an ca. 140 Regentagen befindet sich die Stadt in der kalt-gemäßigten Klimazone. Die Winter sind dabei i.d.R. lang, kalt und schneereich. Als Baumart wurde an diesem Standort die Sachalin-Tanne (Abies sachalinensis (Fr. Schmidt) Mast.) ausgewählt. Das natürliche Verbreitungsgebiet dieser Baumart beschränkt sich hauptsächlich auf die Sachalin-Insel und die Kurillen. Das Holz ist hell, relativ weich und leicht zersetzbar. Es wird vordergründig für die Papierproduktion und als Bauholz verwendet.
Prince George wurde im Jahr 1807 von dem Pelzhändler und Entdecker Simon Fraser gegründet. Die Stadt liegt an der Mündung des Nechako River in den Fraser River im Zentrum von British Columbia in einer Höhe von 575 m über NN. Mit ca. 72.000 Einwohnern und einer Flächenausdehnung von 316 km² ergibt sich eine Bevölkerungsdichte von 228 Einwohnern pro km². Die Region weist ca. 84.000 Einwohner auf und stellt einen Sonderfall in der für das Projekt getroffenen Standortauswahl dar. Eigentlich weist die Stadt keine ausreichende Größe für das Projektvorhaben auf, jedoch bietet sie den Vorteil die Auswirkungen einer Industrieansiedlung zu untersuchen. Vor dem Hintergrund, dass sich Mitte der 60er Jahre die holzverarbeitende Industrie sehr abrupt in der Stadt angesiedelt hat, ist eine sehr gute Möglichkeit gegeben, diese Einflussnahme zu untersuchen. Denn es wird vermutet, dass die vermehrte Abwärme zu einer Erhöhung der Temperatur geführt hat. Die meisten beprobten Bäume waren bereits vor der Ansiedlung in der Stadt vorhanden und können Aufschluss über die mit der Industrieansiedlung resultierenden Folgen bzw. Änderungen geben.
Die holzverarbeitenden Betriebe stellen in Prince George den wichtigsten Industriezweig der Stadt dar. Die durchschnittliche Jahrestemperatur beträgt 3,7 °C. Der jährliche Niederschlag von 613 mm fällt an 117 Regentagen. Es wurde die Weißfichte (Picea glauca (Moench) Voss) als Baumart gewählt. Dabei handelt es sich um eine bis zu 50 m hohe anpassungsfähige, immergrüne und klima-resistente Konifere. Das Verbreitungsgebiet erstreckt sich vornehmlich in Nordamerika (Kanada, Alaska, N- USA). Das helle und weiche Holz wird für die Bauholz- und Papierindustrie genutzt.
Die gemäßigte Zone
Im Bereich der gemäßigten Zone wurden die europäischen Städte Berlin, München und Paris beprobt :
Die bayerische Landeshauptstadt München liegt an der Isar und ist mit 1,45 Mio. Einwohner auf einer Fläche von 310 km² die drittgrößte Stadt Deutschlands. Die nahegelegenen Alpen erklären zum einen die jährliche Niederschlagssumme von 1009 mm und zum anderen sind sie an dem Phänomen des „Föhn“-Windes beteiligt, welches gelegentlich für warme Luftmassen im bodennahen Bereich sorgt. Die Jahresdurchschnittstemperatur beträgt 9,2 °C. Als beprobte Baumart wurde die Roßkastanie (Aesculus hippocastanum L.) gewählt. Sie wird bis zu 36 m hoch und kommt in ganz Mittel- und Westeuropa, wie in weiten Teilen der USA vor. Das Holz wird überwiegend als Blind-, Schnitzler- und Drechslerholz verwendet.
Die bundesdeutsche Hauptstadt Berlin liegt in der norddeutschen Jungmoränenlandschaft. Von Süd-Ost nach Nord-West durchzieht das Warschau–Berliner Urstromtal die Stadt. Im Süden und im Nord-Osten schließt sich jeweils die Teltow- bzw. die Barnim Hochflächen an. Trotz der geologischen Gliederung schwanken die Geländehöhen in Berlin in engen Grenzen (Tempelhof-Schöneberg 42,5 m bis 52 m über NN, Charlottenburg 30 m bis 70 m, Spandau 27,5 m bis 32,5 m über NN). Die Flächenausdehnung von Berlin umfasst 892 km², wobei die maximale Ausdehnung in Ost-West-Richtung 45 km beträgt, in Nord-Süd-Richtung 38 km. Mit über 3,4 Mio. Einwohnern ist Berlin die bevölkerungsreichste Stadt Deutschlands und die fünftgrößte Europas. Die Jahresmitteltemperatur liegt bei 9,2 °C und der jährliche Niederschlag beträgt 579 mm. Als Baumart wurde die Winter-Linde (Tilia cordata Mill.) ausgewählt. Diese wird bis zu 30 m hoch und findet sich oft als Straßen- und Parkbaum wieder. Das weiche, weiß bis hell-braune Holz wird meist in der Bildhauerei und Schnitzerei, sowie in der Drechslerei verwendet.
Die französische Hauptstadt Paris liegt an der Seine. In ihrer städtischen Siedlungszone leben 10,4 Mio. Einwohnern. Paris ist die neuntgrößte Stadt Europas und weist auf einer Fläche von 2845 km² eine Bevölkerungsdichte von 3660 Einwohner/km² auf. Die jährliche Niederschlagssumme beträgt 639 mm und die Jahresmitteltemperatur 10,6 °C. Die ahornblättrige Platane (Platanus x hispanica Münchh.) wird bis zu 35 m hoch und kommt in fast ganz Europa als Straßen- und Parkbaum vor. Sie zeichnet sich durch ihre Emissionshärte aus und ist damit gut für Großstadt-Luftverschmutzungen geeignet. Das wenig witterungsbeständige Holz findet zumeist als Ausstattungs-, Drechsler- und Furnierholz Verwendung.
Das mediterrane Klimaregime
Im mediterranen Klimaregime, welches durch trockene Sommer und niederschlagsreiche Winter gekennzeichnet ist, wurden die beiden auf der Südhalbkugel befindlichen Städte Santiago de Chile und Kapstadt untersucht:
Santiago de Chile ist die Hauptstadt von Chile. Der Untersuchungsraum befindet sich im zentralchilenischen Talkessel, der von den Anden im Osten und den Küstenkordilleren im Westen eingeschlossen ist. Diese erstrecken sich bis auf einige Unterbrechungen auf Höhe der Insel Chiloe, über die gesamte Westküste des Landes. Die Region Metropolitana umfasst eine Fläche von 15100 km² wovon 640 km² auf das Stadtgebiet Santiago entfallen. Santiago bildet den Schmelztiegel des südamerikanischen Landes in politischer, ökonomischer, kultureller und industrieller Hinsicht. Charakteristisch für das mediterrane Klima Zentralchiles ist die Hauptregenzeit in den Wintermonaten Juni, Juli und August. Die kalte Jahreszeit beginnt schon im Mai und zieht sich bis Ende September hin. In diesen feuchten und milden Monaten ist mit einer durchschnittlichen Monatstemperatur von 8 °C zu rechnen. Weitaus höhere Durchschnittstemperaturen werden in den Sommermonaten von Oktober bis April erreicht. Hierbei liegt der Durchschnittswert bei 27 °C, wobei auch Tagestemperaturen über 30 °C erreicht werden können. Für diesen Standort wurde die Robinie (Robinia pseudoacacia L.) ausgewählt. Sie zeichnet sich durch ihr wertvolles Holz aus, welches insbesondere als Pfahl-, Konstruktions-, Bau- und Werkzeugholz genutzt wird.
Kapstadt, die nach Johannesburg zweitgrößte Stadt Südafrikas, wurde im Jahr 1652 gegründet und ist die Hauptstadt der Provinz Westkap und Sitz des südafrikanischen Parlaments. Die Stadt liegt unmittelbar an der Tafelbucht des Atlantischen Ozeans, ca. 45 km in nördlicher Richtung vom Kap der Guten Hoffnung entfernt in einer Höhe von ca. 20 m über NN. Die Einwohnerzahl beträgt ca. 3,5 Mio. Bei einer Flächenausdehnung von ca. 2455 km² ergibt dies eine Bevölkerungsdichte von 1425 Einwohnern pro km². Die Region um Kapstadt zeichnet sich zudem durch einen hohen Bevölkerungszuwachs innerhalb der letzten 25 Jahre aus. Das Klima ist hier atlantisch geprägt mit einer Jahresmitteltemperatur von 16,3 °C. Der jährliche Niederschlag von 515 mm verteilt sich auf etwa 104 Regentage, wobei im Winter deutlich mehr Regen fällt als im Sommer. Als Baumart wurde die Stieleiche (Quercus robur L.) ausgesucht. Sie erreicht eine maximale Höhe von ca. 35 m und besitzt ein braunes Holz, welches sehr vielseitig, bspw. als Furnier- und Massivlholz, verwendet wird.
Die Subtropen
Ebenfalls auf der Südhalbkugel befindet sich mit Brisbane einer der drei im subtropischen Klima angesiedelten Standorte. Typisch für diese Klimazone sind die feucht-heißen Sommer und mild-trockenen Winter. Als Standorte auf der Nordhalbkugel wurden Hanoi und Houston gewählt:
Brisbane, Hauptstadt des Bundeslandes Queensland, wurde 1824 gegründet. Sie befindet sich an der Ostküste Australiens, wird von dem Brisbane River durchlaufen und ist unmittelbar an dem Corals Lake gelegen. In dem Agglomerationsraum Brisbane leben auf einer Fläche von 1363 km² 2 Mio. Menschen. Die Ölindustrie zählt hier zu dem Hauptwirtschaftssektor. Die Regenzeit ist von November bis April. Die Jahresmitteltemperatur beträgt 20,6 °C und die Niederschlagssumme liegt bei 1230 mm/a. Es wurde die Neuguinea-Araukarie (Araucaria cunninghamii (Aiton ex. D. Don)) als Baumart gewählt. Sie erreicht bis zu 50 m Höhe und kommt lediglich auf der Südhemisphäre in Neuguinea und Australien vor. Das Holz wird primär in der Sperrholzindustrie weiterverarbeitet.
Hanoi, die Hauptstadt des im Jahr 1976 wiedervereinigten Vietnams, wurde im Jahr 1010 gegründet und ist damit die älteste Hauptstadt Südostasiens. Die Stadt liegt im fruchtbaren Delta des Roten Flusses in einer Höhe von ca. 20 m über NN. Mit einer Flächenausdehnung von ca. 3325 km² und einer geschätzten Einwohnerzahl von ca. 6,5 Mio. Einwohnern ergibt sich eine Bevölkerungsdichte von 1875 Einwohnern pro km². Mit einer großen Anzahl an Kfz und Krafträdern weist Hanoi zudem ein außergewöhnlich hohes Verkehrsaufkommen auf. Das Zentrum Hanois ist durch die lange Kolonialherrschaft z.T. französisch geprägt. Die durchschnittliche Temperaturamplitude erstreckt sich von 16,7 °C – 29,5 °C. Acht Monate weisen humides Klima, vier arides Klima auf. Der Niederschlag von 1802 mm pro Jahr fällt an ca. 145 Regentagen. Als Baumart wurde der Afrikanische Mahagoni (Khaya senegalensis (Desr.) A. Juss.) gewählt. Er wird bis zu 35 m hoch und zeichnet sich durch sein dunkelbraunes widerstandsfähiges Holz aus. Dieses wird überwiegend in der Bau- und Furnierindustrie genutzt.
Houston befindet sich im Bundesstaat Texas und ist mit über 2 Mio. Einwohnern die viertgrößte Stadt der USA. Sie ist nahe der US-Golfküste gelegen und besitzt eine Größe von 1652 km². Die Jahresmitteltemperatur beträgt 20 °C, die jährliche Niederschlagssumme 1170 mm. Als Baumart wurde die schnellwachsende Wassereiche (Quercus nigra L.) gewählt. Das natürliche Verbreitungsgebiet erstreckt sich von den östlichen bis hin zu den zentralen USA. Verwendung findet das eher minderwertige Holz in der Herstellung von Holzkohle und als Feuerholz.
Methodik
An jedem Standort werden durchschnittlich über 150 Bäume beprobt und vermessen. Zu den Aufnahmegrößen zählen: Baumhöhe, Stammdurchmesser, Kronenansatzhöhe und Aufnahme von Stand- und Wurzelraum. Jeder Baum wird mittels eines Zuwachsbohrers, welcher einen Durchmesser von 5 mm besitzt, in zwei Himmelsrichtungen angebohrt. Die Bohrkerne werden anschließend im Jahrringlabor dendroökologisch ausgewertet. Mittels Mikroskop werden dort die Jahrringbreiten und somit der jährliche Zuwachs bestimmt. Unter Berücksichtigung von den mikroklimatischen Besonderheiten werden innerhalb des Stadtgebiets und dem angrenzenden Umland Transekte eingeteilt. In jeder Metropole wird eine häufig vorkommende Baumart gewählt, welche eine starke Aussagekraft besitzt. Weiterhin werden an verschiedenen Stationen im Stadtgebiet Temperatur- und Niederschlag, sowie Umweltdaten erfasst. Letztlich soll der Zusammenhang zwischen Luftinhaltsstoffen und dem Baumwachstum aufgedeckt werden.
Auswertungslinie
Die Vielzahl der wachstumsbeeinflussenden Faktoren zusammen mit der Individualität eines jeden Stadtkörpers bedingt zunächst eine Einzelanalyse der Metropolen. Im Anschluss erfolgt eine übergreifende Auswertung mit dem Ziel evtl. Regelmäßigkeiten in Bezug auf städtisches Baumwachstum im Zusammenhang mit dem städtischen Klima abzuleiten. Diese Überprüfung soll im Rahmen dieser allgemeinen Auswertung sowohl auf Ebene der jeweiligen Klimazone, sowie klimazonen-übergreifend erfolgen.